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17. Januar 2021 – 2. Sonntag nach Epiphanias

Lass mich deine Schönheit sehen

Tagzeitenandacht der Michaelsgemeinde. Bibeltext: 2. Mose 33, 18–23

In der Übertragung Bibel in gerechter Sprache (2006)


Mose sagte zu Gott:
Lass mich jetzt bitte deinen göttlichen Glanz sehen!

Gott antworte:
Ich werde in meiner (unermesslichen) Schönheit dicht an dir vorbeigehen und meinen Namen – ICH-BIN-NAH – vor dir ausrufen.
Ich will allen wohl, denen ich Wohlwollen schenken will. Ich leide mit allen, die ich bemitleiden will.
    Du darfst mein Gesicht trotzdem nicht anschauen, denn kein Mensch, der mir ins Gesicht sieht, würde am Leben bleiben.
    Neben mir ist noch Platz, stell dich zu mir auf den Felsen. Wenn dann gleich mein Glanz vorbeigeht, dann drücke ich dich in eine Felsnische und halte dir meine Hand vor die Augen, bis ich vorbei bin. Dann ziehe ich sie weg und du kannst mich von hinten sehen, aber mein Gesicht darfst du nicht schauen.


Mit jemandem vertrauensvoll reden können, das gehört zu den wichtigsten Momenten in unserem Leben. Freundschaft zu erleben, sich aufeinander verlassen zu können, vor keinem offenen Wort Angst haben zu müssen, wissen, dass das Gegenüber es nur gut meint mit einem, das ist ein unbeschreiblich wertvolles Erleben.

Lese ich diesen kurzen Ausschnitt des Gesprächs mit Mose, so spüre ich heute noch diese besondere und vertraute Atmosphäre zwischen ihm und seinem Gegenüber.  
Soll das wirklich Gott sein, mit dem er so spricht? Die biblische Überlieferung sagt ja, es ist Gott: Mit Gott auf du und du – als ob es das selbstverständlichste auf der Welt sei, so mit ihm zu sprechen.

Mose trägt ihm einen Wunsch vor. Er möchte den göttlichen Glanz sehen!
Wenn ich eine Bitte Gott gegenüber frei hätte, dann würde ich ganz sicher nicht nach seinem Glanz fragen. Ich käme noch nicht einmal auf die Idee, dass es einen göttlichen Glanz geben könnte. Auch wüsste ich gar nicht, was ich mir darunter vorstellen sollte.
Auch die Antwort des Mose so offenkundig vertrauten Gottes ist für mich nicht vorstellbar: Gott spricht von seiner Schönheit, und will ihm im Vorübergehen die Bedeutung seines Namens sagen. Das tut er dann auch und sagt, dass sein Name bedeute übersetzt: Ich-bin-nah!

Darüber hinaus eröffnet Gott, was ihn bewegt: er will Wohlwollen und leidet mit, wenn ein Mensch leidet.

Spätestens an dieser Stelle, weiß ich erst einmal nicht weiter. Die Vorstellung, dass Gott schön sei, diese Vorstellung hatte ich noch nie. Ich wäre auch nach langem Nachdenken nie zu einem Zusammenhang zwischen Schönheit und Gott gekommen.

Doch welche Vorstellungen habe ich? Darf ich überhaupt eine haben? Mir ein Bild von ihm machen? Denn an anderer Stelle sagt Mose, dass sich niemand ein Bild von Gott machen sollte.

Das Rätselhafte dieser Geschichte geht weiter. Gott stellt Mose in eine Felsspalte, hält Mose die Augen zu, geht vorbei, und zieht die Hand dann weg, wenn er vorbei gegangen ist. Sollte ich diese Begebenheit malen oder filmisch darstellen, ich wüsste nicht wie.

Die an Menschen angelehnte Beschreibungen von Gott passen gar nicht in meine Vorstellungswelt. Wie kann man denn an einem Menschen vorbei gehen und ihm gleichzeitig die Augen zuhalten? Naturwissenschaftlich, sachlich, menschlich, historisch unmöglich ist diese Geschichte.

Wie komme ich ihr auf die Spur? Wie kann ich herausfinden, was sie bedeutet? Ich möchte das gerne, denn auf eine schwer zu beschreibende Weise fasziniert mich diese Geschichte.

Ich lese das Gespräch nochmal. Dabei fällt mir auf, dass Mose, nachdem er die Frage nach Gottes Glanz, nach der göttlichen Schönheit gestellt hat, nicht mehr sieht. Für ihn spielt sich alles im Dunkeln ab. Obwohl Glanz und Schönheit die Szene bestimmen, für Mose ist der Moment des anwesenden Gottes dunkel. Es ist finster, es ist Nacht.

Erst im Nachhinein wird er sehend. Erst als die Begegnung vorbei ist, sieht er, dass Gott ganz nahe war.

Vielleicht ist das der Sinn der Geschichte.
Selbst wenn es Nacht ist in meinem Leben, Gott ist nah.

Selbst in den Gängen im Angstland, in Orten voller Unbeweglichkeiten, wie eingeklemmt in einer Felsspalte, bin ich nicht allein.
 

Psalmgebet  – 105
In der Übertragung von Huub Oosterhuis, bearbeitet von Manfred Werner

Ich wurde – gegen meinen Willen –
weggezogen, zurückgeflogen
in unvordenkliche Zeiten.

Ich schleiche mit, in einer Schar,
die langen Gänge von Angstland
bis über die Schwelle: Da winkt
Weite, Freiheit, Wüste.

Eine Last wird von meiner Schulter genommen,
ich brauche das unmöglich Schwere
nicht mehr zu tragen.

Ich lese und unerhörte Geschichten!

„Wie riefen: Gib uns zu essen,
und er ließ Essbares – waren es Wachteln? - kommen.
Es taute Brot aus dem Himmel.
Es brach die Felsen auf,
da gurgelte Wasser in Strömen
mitten in der Wüste.“

Wunder über Wunder!

GOTT des Abraham, GOTT des Isaak,
GOTT des Jakob und Mose.

GOTT Jesu!

Der, wenn wir schreien, HÖRT.
Der uns das Bittere süß macht.

DU, der Schoß der uns gebar,
Du, der Name, der uns trägt.

Amen


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