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Auferstehung an Ostern

Vor ein paar Monaten fiel mir das Ausbildungsbuch zu meinem ersten Beruf in die Hände. Um es kurz zu sagen: vieles von dem, was damals richtig war und von uns so umgesetzt wurde, würde, ja dürfte heute keiner mehr in diesem Beruf im Rettungswesen anwenden.

 

Warum, frage ich mich, soll dies in meinen zweiten Beruf, Pfarrer, anders sein? Warum sollte ich mich gemäß ‚eines‘ Lehrbuchs verhalten, das nicht mehr aktuell ist, ja, das damals – es galt damals zurecht als richtig! –, das damals wegweisend war, heute aber nicht mehr. Ich spreche nicht von der Bibel, sondern von überholten theologischen Kommentaren.

 

In fast allen Tageszeitungen und vielen medial vermittelten Botschaften wird in diesen Tagen von der Auferstehung Jesu gesprochen. Von der Auferstehung des einzelnen Menschen, von Ihnen, lieber Leser, liebe Leserin, kaum oder gar nicht. Ich muss diese Frage als Pfarrer aber bei jeder Beerdigung beantworten und kann mich vor der Frage nicht drücken, ob wir auferstehen werden.

 

Nicht, um es jetzt spannend zu machen, werde ich die Antwort, die ich Ihnen schuldig bin, erst am Ende dieser Besinnung schreiben. Doch kann ich nicht antworten, ohne vorher das kulturelle und religiöse Erbe anzusprechen.

 

Das Osterfest feiern, das kennen die Meisten von uns seit Ihrer Kindheit. Es war das Familienfest, ähnlich wie Weihnachten, im Freien. Voll wunderbarer Beigaben und Bräuchen: Hase, bunte Eier, Osternest, Feuer, … Ein vielseitig buntes Frühlingsfest. Und auch in Kirchen gab es Bräuche: Osterbrunnen, Frühandachten, Osterwasser, Spaziergänge auf den Friedhof, …

 

Während diese Feiern in Fröhlichkeit weiter geführt wurden, hat sich bei vielen Menschen ihre innere Haltung zum den Inhalt der Feier verändert. Alle Befragungen zu diesem Thema kommen zu dem gleichen Ergebnis: Die Mehrheit der Deutschen versteht unter Auferstehung nicht (mehr) die Rückkehr eines Toten, und auch nicht (mehr) die Wiederbelebung eines Toten.

 

Mich überrascht das nicht. Wir leben alle in der Neuzeit. Weltbilder der Vergangenheit sind überwunden. Wenn es im Glaubensbekenntnis heißt, dass Jesus hinabgestiegen ist in ‚das Reich des Todes‘, so wissen wir gleichzeitig alle, dass es keine dreistöckige Welt gibt, unter der Erde die Toten, auf der Erde wir, über uns im Himmel die Guten.

 

Wer dieses dreistöckige Weltbild noch vertritt, hat den Anschluss an die Welterfahrung und das Weltwissen des gegenwärtigen Menschen verloren.

 

Nun ist die Rede vom dem Reich der Toten aber kein Unsinn, sondern eine besondere Weise das auszudrücken, was nur in ‚Sprachbildern‘ sagbar ist. Jesus Abstieg in das ‚Reich des Todes‘ bedeutet, dass es keinen Ort (räumlich verstanden) und keine Situation (auch emotional zu verstehen) gibt, an welcher seine Kraft, sein Geist, seine Liebe uns nicht erreichen könnte.

 

Wenn ich also Momente erlebe, ich denen ich mich wie tot, kalt, ohne Liebe empfinde, kann ich mich doch nicht von der Liebe Jesu abschneiden. Das ist die Aussage des Satzes des Glaubensbekenntnisses.

 

Viele Künstler in Malerei, Musik und Dichtung konnten das in ihrer Weise darstellen. Beispielhaft sei hier der Isenheimer Altar (in Colmar zu sehen), genannt.

 

Lese ich die Evangelien, dann erfahre ich, dass schon Matthäus, Markus, Lukas und Johannes verschiedener Auffassung sind, ob Jesus leiblich auferstanden ist. Zu meinen, sie hätten nur vier verschiedene Aspekte des einen Geschehens berichtet und würden sich zusammen gelesen ergänzen, ist nur ein gut gemeinter Wunsch, mehr nicht. Und wenn ich die Paulusbriefe noch dazu lese, wird das Auferstehungsgeschehen immer unschärfer, immer weniger greifbar. Es gibt noch zwei Berichte über Jesus, die – soweit wir wissen – älter sind als die vier bekannten Evangelien (das Thomas- und das, welches nur Quellen-Evangelium genannt wird), und die die Auferstehung gar nicht kennen.

 

Oft hören wir noch – und sehen es auch in alten Kunstwerken, dass Jesus – im historischen Sinn – auferstanden ist. So wurde und wird es ja auch oft gepredigt. Die Evangelien kennen dieses Wissen nicht. Niemand ist dort Zeuge der Auferstehung, niemand erkennt Jesus wieder als er „vom Himmel“ zurückkommt.

 

Ist das nun alles Humbug mit der Auferstehung? Nein, ganz gewiss nicht. Der Antwortweg ist der gleiche, wie der beim Glaubensbekenntnis.

 

Es gibt keine Welt außerhalb dieser Welt. Und diese Welt (und dieser Kosmos), wie wir sie erleben und die Physik uns beschreibt, hat keine Nische, in welcher sich jemand verstecken könnte. Es kommt hier niemand leiblich zurück, auch keiner von den lieben Menschen, die wir zu Grabe getragen haben.

 

Der „Volksmund“ hat eine einfache und überzeugende Antwort zur Auferstehung: Solange ein Mensch einen Platz in meinem Herzen hat, lebt er!

 

Jesus hatte einen Platz in den Herzen der Frauen und Männer, die ihm begegnet sind. Und sie distanzierten sich auch nicht von ihm als er als Verbrecher hingerichtet wurde. Sie sahen seine Ermordung als das an, was es war, ein Verbrechen an ihm, ein Verbrechen, das Menschen an Jesus verübten.

 

Doch diese Hinrichtung Jesu konnte damals, und kann es auch heute nicht, das zerstören, wofür Jesus lebte. Die Begegnungen mit ihm waren so, dass Menschen dadurch Gottes Nähe erlebten. Die Hinrichtung Jesu hat die Liebe zum Mitmenschen nicht töten können. Das haben seine Weggenossen gesehen und gespürt und sind diesen Weg Jesu weiter gegangen.

 

Jahre später hat man diese Menschen Christen genannt, weil sie den Königsweg, den Christusweg zum anderen Menschen zu leben versuchten. Und diesen Weg weiter zu gehen, das ist unser Auftrag. Und dieser Auftrag verbindet uns mit allen, die sich für andere Menschen einsetzen.

 

Zum Schluss möchte ich Ihnen die Antwort auf die Frage nicht schuldig bleiben, wohin wir gehen werden, wenn wir sterben.

 

Wir werden nicht in den Himmel kommen.

 

Wir werden auch nicht in die Hölle kommen.

 

Wir werden, davon bin ich überzeugt, die große Überraschung erleben!

 

Bildlich ausgedrückt: Wir werden nie tiefer fallen als in Gottes Hände. Und, wenn ich Jesus richtig verstehe, werden wir – bildlich gesprochen – dort, wie Händel in seinem Oratorium ‚Der Messias‘ es komponierte, Halleluja singen.

 

Doch bis es soweit ist, bleibt das, wofür Jesus lebte, unser Auftrag.

 

 

Pfarrer Manfred Werner


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